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Friesach Summer School (14.-17.09.2010): Veranstaltungsbericht

Der verregnete Abreisetag am Freitag konnte den überaus positiven Eindruck, den Organisation, Programm, Vorträge, Rahmenprogramm und Teilnehmer dieser Veranstaltung bei mir hinterlassen haben, in keinster Weise trüben. So kann ich auch sehr leicht mein Resümee der Veranstaltung vorwegnehmen: Meine Erwartungen an diese Sommerakademie wurden bei weitem übertroffen und der Nutzen, den ich aus dem Besuch ziehen kann, ist überaus hoch. Ähnliches zeigten auch die Gespräche mit den anderen, aus allen Teilen Europas (Schweden, Holland, Tschechien, Deutschland, Italien, Slowenien) stammenden TeilnehmerInnen.

Die Vorträge wurden am Dienstagabend nach einem kurzen ‘get to know each other’ im Schein von Feuerschalen und mit einem Begrüßungstrank von Prof. Johannes Grabmayer (Klagenfurt) mit einem allgemein gehaltenen, diachron aufgebauten, in die mittelalterlichen sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten einleitenden Vortrag eröffnet; Prof. Bernd Fuhrmann (Siegen) setzte die Vortragsreihe am Mittwoch mit weiteren weit mehr ins Detail gehenden Informationen zu den Lebensbedingungen des mittelalterlichen Menschen auf dem Land und in der Stadt fort, was dem historischen Laien eine solide Ausgangsbasis für die weiteren Vorträge lieferte. Prof. Maja Godina-Golija (Ljubljana) hielt mit einem leider sehr oberflächlich gehaltenen, volkskundlich ausgerichteten Beitrag den ersten Vortrag zum Kernthema der Summer School – der Ernährung im Mittelalter. Leider hatte Dr. Dorothee Rippmann (Zürich), die nächste Vortragende, die Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig absagen müssen, jedoch wurde ihr äußerst informativer Beitrag über die mittelalterlichen Kochbuchhandschriften vorgelesen, damit die TeilnehmerInnen das Programm lückenlos absolvieren konnten.

Dieser Tag schloss auf Burg Hochosterwitz genussvoll mit mittelalterlichen Speisen (Krumme Krapfen mit Pflaumenmus, Olla Podrida),1 die von Teilnehmerinnen zubereitet wurden. Das Essen selbst leitete Peter Lutz (Wächtersbach) mit einer praktischen Einführung in das mittelalterliche Kochen und zur mittelalterlichen Warenkunde ein, was er gekonnt an den verschiedenen Pfeffer-Sorten, die im Mittelalter Verwendung fanden, veranschaulichte: schwarzer und weißer Pfeffer (Piper nigrum L.), Langer Pfeffer (Piper longum L.), Kubebenpfeffer (Piper cubeba L.), Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus L.) und Mohrenpfeffer (Xylopia aethiopica [Dun.] A. Rich.). Zu dieser Pfeffervariante ist aus dem Mittelalter nichts bekannt, was seine Verwendung unter dem Überbegriff ‘Pfeffer’ aber nicht ausschließt; denn die erste Abbildung findet sich schon in einem Kräuterbuch des Leonhard Fuchs aus dem Jahre 1563, wo das Gewürz als Piper aethiopicum geführt wird.2

Wetterbedingt begann der Donnerstag entgegen der anfänglichen Planung mit einer ausgedehnten Stadtführung und der Besichtigung der Burgbaustelle, die nicht nur Einblick in die mittelalterlichen Arbeitsabläufe und Fertigungsmethoden bietet sondern langfristig auch moderne Restaurationsmethoden unterstützen soll.3

Der erste Teil der Vortragsreihe am Donnerstag war wieder äußerst praxisorientiert ausgerichtet: Mag. Claudia Tscherne (Klagenfurt) eröffnete mit einem pointierten und für den Laien gut nachvollziehbaren Vortrag zum Thema ‘Cultural Marketing’, an den Peter Lutz mit einem Praxisbericht zu seiner fast zehnjährigen Tätigkeit als Küchenmeister auf der Ronneburg anschloss. Sein Vortrag wurde von einer intensiven Fragerunde zu touristischen aber auch kulinarischen Themen abgeschlossen: So wurde zum Beispiel die ‘Pasta’ bzw. die ‘Nudel’ diskutiert, die unter dieser Bezeichnung (eine Variante zu ‘Knödel, Knuddel’)4 aber erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bekannt ist. Die Speise an sich – ein Teig aus Mehl, Ei und Flüssigkeit, der in Wasser gekocht wird – ist in dieser Form wohl schon lange bekannt, denn die ältesten Funde stammen aus 2500 Jahre alten Grabstätten im nördlichen China – von dort aus dürfte die Nudel ihren Siegeszug über den Vorderen Orient und Afrika nach Europa angetreten haben; der oft bemühte Marco Polo war jedenfalls nicht der ‘Entdecker’ der Nudel. In den mittelalterlichen Rezeptsammlungen ist meist vom teic oder teicblat die Rede, welches zur Zubereitung gekocht wird; im Tacuinum sanitatis in medicina (Cod. Vind S. n. 2644) vom Ende des 14. Jahrhunderts findet sich auf fol. 45v eine Szene zur Herstellung von Teigwaren.5

Den letzten und in dieser Position auch sybolisch sehr gut platzierten Vortrag hielt Dr. Rengenier Rittersma (Saarbrücken) zu ‘Alimentation in Early Modern Times’, in dem er sehr detailliert beschrieb, wie die heute wohlbekannten Nahrungsmittel der neuen Welt, Erdapfel, Truthahn, Paradeiser, Paprika, Vanille oder Ananas in Europa mehr oder weniger schnell bekannt wurden. Aus diesem Blickwinkel muss ihm auch seine Bemerkung zu den Würzgewohnheiten im Mittelalter verziehen werden, in der wie so oft, das hartnäckige Gerücht wiederholt wurde, dass der mittelalterliche Mensch viele Gewürze verwendet habe, um den Geschmack verdorbenen Fleisches zu übertönen … diese Behauptung ist seit den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts wiederholt und mit äußerst glaubwürdigeren Argumenten widerlegt worden: In der aktuellen Forschung wird der Verzehr von verdorbenen Lebensmitteln als nicht sehr wahrscheinlich angenommen, denn wer sich teure Gewürze leisten konnte, hatte auch entsprechenden Zugriff auf Frischfleisch. Die Verwendung von Gewürzen ergibt sich vielmehr aus diätetischen, sozialen und religiösen Aspekten, die fest im komplexen Lebensbild des mittelalterlichen Menschen verankert sind.6

Abschließend kann nur noch einmal festgehalten werden, dass der Besuch der Veranstaltung sehr lohnenswert war, und daher ist es erfreulich, dass die einzelnen Vorträge, die im Rahmen dieser Summer School gehalten wurden, auf deren Website veröffentlicht werden. Da das Verständnis der Vorträge oft durch eine so gar nicht normgerechte Aussprache des Englischen, die Verwendung dieser Sprache wurde allein schon durch die Internationalität der TeilnehmerInnen bedingt, beeinträchtigt wurde, ist diese Möglichkeit der Nachlese äußerst willkommen; aber vor allem werden die wertvollen Inhalte damit einem wesentlich größeren Publikum präsentiert!

(Helmut W. Klug)

Diashow zur Summer School


  1. Rezepte für Krumme Krapfen finden sich in diversen Variationen in nahezu jeder mittelalterlichen Rezeptsammlung; Rezeptadaptionen können z.B. aus Trude Ehlert, Kochbuch des Mittelalters, Düsseldorf 2000 und Peter Lutz, Herrenspeis und Bauernspeis, Nidderau 2003 nachgekocht werden – letzteres gilt auch für den Eintopf.
  2. Cod. Vind. 11 123 / 3 (1), fol. 135.
  3. Mehr dazu auf der Burgen-Website.
  4. Vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch, Berlin 1995.
  5. Eine umfassende Darstellung der Thematik bietet auch diese ARTE Dokumentation.
  6. Vgl. dazu Helmut Klug, Gewürze in deutschsprachigen Kochrezepten des Mittelalters, 2010